Mythen und Legenden rund um Word und LaTeX

Sehr oft findet man in Newsgroups oder Webforen Diskussionen zum Thema Microsoft Word bzw. Word vs. LaTeX. Zu häufig wird dann daraus ein heftiger flame-war, der dann ohne wirkliche Argumente ausartet.

An dieser Stelle würden wir gerne unseren Senf dazu äußern. Das soll jetzt nicht als Aufruf zum Flamen missverstanden werden, diese Seite spiegelt nur unsere persönliche Sicht der Dinge wider.

Weshalb wir uns dazu berufen fühlen, hier offensichtlich Word-Usern eine schlechte Software-Wahl zu unterstellen? Nun, wir haben schon recht viel mit Microsoft-Produkten gearbeitet und sogar mit Word recht viel Geld verdient. Ebenso kennen wir uns mit LaTeX gut aus und können daher beide Seiten gut gegeneinander abwägen.

Interessanterweise haben diejenigen, die Word vehement verteidigen, meistens recht wenig Erfahrung mit LaTeX, sodass hier ein sehr unausgewogenes Bild weiterverbreitet wird.

Deshalb führen wir hier die häufigsten Argumente von Word-Benutzern auf und versuchen, diese zu relativieren, damit man einen besseren Überblick zum Thema bekommt. Keine Sorge, wäre Word ein brauchbares Tool, hätten wir vermutlich keine Skrupel, es denjenigen zu empfehlen, die nicht "mehr" benötigen. Nun ist es aber so, dass wir Word leider nicht gerade zu lieben gelernt haben, je mehr wir es benutzen mussten. Und da wir liebe Menschen sind, versuchen wir, allen Word-Benutzern eine gute Alternative näher zu bringen, anstatt uns in unserem Kämmerlein an unserer gefundene Lösung still und heimlich zu erfreuen. Wer also anderer Meinung ist, kann diese Infos hier lesen und nicht akzeptieren. Wir wollen niemandem etwas aufdrängen.

Jeder verdient das Tool, welches er (aus freien Stücken) benutzt.

Manche Argumente zielen nicht primär auf Word als Textverarbeitung, sondern auf alle WYSIWYG-Systeme wie OpenOffice.org, Word Perfect und so weiter.

Anwender, die kein technisches Hintergrundwissen haben, seien gewarnt: Viele Dinge, die jetzt diskutiert werden, sind recht technisch. Das muss so sein, wenn man Word einer Lösung wie LaTeX gegenüberstellt. Wem es jetzt zu technisch wird, das Fazit gleich vorweg: Word ist in den meisten Belangen LaTeX weit unterlegen, da LaTeX-Lösungen viel flexibler, plattformübergreifender, schneller, leichter und einfach schöner sind.

Märchen(?): Word ist Standard

Nun, unter Umständen ist das gar kein Märchen. Jedenfalls für ein genügend breit dehnbares Verständnis zum Begriff "Standard".

Faktum ist, dass die Firmen sehr häufig Microsoft Office einsetzen und dadurch ein Quasi-Standard entstanden ist. Mit dem geflügelten Wort "mit der größten Scheisse fängt man die meisten Fliegen" dürfte es in diesem Fall nicht weit her sein, denn es stellt sich bei genauerer (technischer) Betrachtung heraus, dass Word kein Standard sein sollte.

Bei dem Dateiformat von Word (doc) gibt es sehr große Probleme, wenn man es mit einem Austauschformat verwechselt. Nicht zuletzt die Virengefahr oder die interne Sicherheit verbieten einem gesunden Menschenverstand das Versenden von Word-Dokumenten über das Internet. Es gibt auch genügend Beispiele, die zeigen, wie katastrophal sich das Versenden von Word-Dokumenten schon ausgewirkt hat.

Die (wenigen) genannten und längst bekannten Probleme mit dem Word-Format als Austauschformat lassen sich wunderbar umgehen, wenn man besser geeignete Formate verwenden würde. Als hauptsächliches nur-lese-Format ist das Portable Document Format (PDF) eine sehr gute Alternative. Eine PDF-Datei schaut auf jedem System gleich aus, ist viel platzsparender als das ressourcenvergeudende Word-Format und die Betrachtungstools (Acrobat Reader oder Xpdf) sind kostenlos für jedes System erhältlich.

OpenOffice.org hat in seinen letzten Versionen ein neues Dateiformat etabliert, das inzwischen auch von KOffice übernommen wird. Darin werden die Informationen im lesbaren XML-Format, das gut dokumentiert und offen ist, gespeichert. Darüber hinaus sind die Informationen komprimiert, um Ressourcen nicht unnötig zu vergeuden. Dieses neue Dateiformat wäre ein geeigneter Kandidat, um in Zukunft editierbare Dateien auszutauschen. Bei geeignet großer Verbreitung von OpenOffice.org wird Microsoft nicht umhin kommen, dieses Format zu unterstützen.

OpenOffice.org bietet die Möglichkeit, direkt aus dem Programm heraus PDF-Dateien zu erstellen. LaTeX kann mittels pdflatex von vornherein PDF-Dateien generieren und mit Hilfe des hyperref-Pakets sehr viele Möglichkeiten von PDF bestens ausnützen.

Selbst wenn das Word-Format ein anerkannter Standard wäre, dann hätte man auch so einiges daran auszusetzen:

Na ein toller Standard ist das ...

Märchen: Word ist einfach zu bedienen und hat eine bequeme Oberfläche, LaTeX aber nicht

Word kennt ein jeder und Word kann ein jeder. Wirklich? Oder haben wir nur gelernt, mit den Eigenheiten von Word umzugehen?

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass man Word nur dadurch "besser kann", wenn man die kleinen Fehler von Word aus Erfahrung kennt und dadurch die entsprechenden Dinge von vornherein umschifft. Ist das einfacher, als wenn man gleich alles tut, was man will?

Die Bedienung mit der Maus ist ein recht trügerischer Versuch, alles einfach ausschauen zu lassen. Somit glaubt bald ein jeder, dass er tatsächlich ein Windows-Administrator ist, weil er alle entsprechenden Felder mit der Maus erreichen kann. Nun gut, das ist eine andere Geschichte.

Zwar stimmt es schon, dass man für LaTeX das eine oder andere Mal in einer Dokumentation nachblättern muss, um eine gewisse Funktion benutzen zu können, doch ist das selten der Fall und die wichtigsten Dinge hat man bald einmal im Kopf.

Die Frage der einfachen Bedienung ist daher im Endeffekt eine Frage des richtigen Editors, der schliesslich das wichtigste Werkzeug in der Kette darstellt. Ein guter Editor und dessen Beherrschung durch den Benutzer ist die Grundvoraussetzung bei jeglicher Art von Textverarbeitung. Mit Tastaturkürzel kann man sich das Leben stark vereinfachen. Mit Makros kann man immer wiederkehrende Dinge automatisieren. Mit regulären Ausdrücken kann man selbst komplexe Dinge suchen und ersetzen. Ob nun Vim, Emacs/XEmacs, Kile oder eine andere Umgebung: wichtig ist das Kennen dieser Umgebung.

Der "Editor" von Word ist nur sehr begrenzt erweiterbar und bietet nur sehr begrenzt brauchbare Funktionalität jenseits von Suchen & Ersetzen an. Aber leider sehen das die Anwender erst ein, wenn sie sich mit einem wirklich guten Editor beschäftigen – nur wer tut das schon, wenn nicht ein gewisser äußerer Druck da ist?

"Word kennen" ist zudem noch ein sehr dehnbarer Begriff. Selbst Anwender, die täglich damit arbeiten müssen, haben sich nie genauer mit diesem Werkzeug beschäftigt. Nicht selten sieht man Sekretärinnen, die keinen Begriff von Dokument-Vorlagen und Makros haben. Daher halten wir den durchschnittlichen Word-Benutzer sowieso für schulungsbedürftig. Und LaTeX lernt man relativ leicht und schnell.

Der überwiegende Teil beim Schreiben eines Dokumentes ist das Eingeben des Textes. Nur selten benötigt man LaTeX-"Kommandos" wie z.B. \section{} oder \emph{}, die zudem noch ein guter Editor auf Zuruf erledigen kann. Der Unterschied zwischen LaTeX und Nicht-LaTeX relativiert sich dadurch enorm. Ob man jetzt einen Text in Word eingibt oder in Form von LaTeX-Code in den Lieblingseditor ist wohl eher das Gleiche. Nur das Endergebnis unterscheidet sich enorm.

Wie Markus Kohm in einem Posting geschrieben hat, sind auch wir der Meinung, dass selbst eine Problemsuche bei LaTeX keinesfalls vergeudete Zeit ist, da man die Probleme mit einem Mal erschlagen kann. Oftmals hat man bei Word schon ärgerliche Fehler, die sich zwecks Fehlersuche schlecht wiederholen ließen oder wo die einmal gefundene Lösung keineswegs zur endgültigen Problembeseitigung beigetragen hat. Typischerweise werden dann so genannte Workarounds eingesetzt, um nur mal schnell die Sache zu umgehen.

Märchen: Man ist mit Word schneller beim Arbeiten

Wir gehen bei unseren Überlegungen immer von einem Benutzer aus, der täglich mit Texterstellung zu tun hat. Insofern kann man ruhig einen gewissen anfänglichen Lernaufwand akzeptieren, der sich ziemlich schnell durch eine größere Arbeitsgeschwindigkeit rentiert. Daher sehen wir den Geschwindigkeitsvorteil eindeutig auf Seiten von LaTeX, da man hier einmal geeignete Vorlagen für alle Arten von Dokumenten erstellen muss, einmal die grundlegenden Befehle lernt und damit in Zukunft immer schnell seine Dinge erledigen kann.

Nun gut, es gibt bei Word auch Dokument-Vorlagen. Nur läßt sich z.B. ein Corporate-Design unter LaTeX bedeutend besser umsetzen als mit simplen Word-Vorlagen. Zum Beispiel kann man in Word relativ einfach (unabsichtlich oder nicht) die Formatierung bei Überschriften ändern. Bei LaTeX ist das nicht der Fall. Man kann hier sogar die Kopfdeklarationen firmenzentral und/oder read-only ablegen.

Die Geschwindigkeit beim Texteingeben wird durch einen guten Editor und dessen Beherrschung bestimmt. Dazu haben wir uns schon im vorigen Punkt geäußert. Selbiges gilt auch hier.

Von unserer Seite aus können wir nur beipflichten, dass man mit LaTeX bedeutend schneller fertig wird als mit Word, da man sich nicht unnötigerweise beim Tippen mit dem Layouten beschäftigen muss und bessere Editoren benutzen darf. Bei Word kommt hier noch dazu, dass zu viele Programmfehler (siehe weiter unten) den Arbeitsablauf hemmen bzw. Arbeit vernichten.

Märchen: Das Word-Format ist plattformunabhängig

Siehe auch "Märchen(?): Word ist Standard".

Die Firma Microsoft versteht unter Plattformunabhängigkeit das Vorhandensein von zwei Zielplattformen für die eigene Produktpalette. Mit der Existenz von Microsoft Office für Windows und für MacOS (bzw. OS X) ist dieses Kriterium erfüllt. Das alleine bedeutet aber noch lange nicht, dass das Word-Format plattformunabhängig ist.

Es existieren von Seiten Microsofts keinerlei Werkzeuge, um unter anderen Betriebssystemen Word-Dateien anzusehen oder gar zu bearbeiten. Das man auf Systemen wie OS/2, UNIX oder Linux mit Word-Dateien arbeiten kann, ist ganz allein der Verdienst von eifrigen Programmierern, die das Word-Dateiformat akribisch untersucht haben. Dieses Wissen wurde dann in Form von Import-Filtern in Programmen wie OpenOffice.org oder anderen eingesetzt. Oftmals sogar besser als in Word selbst, das ja bekanntlich mit älteren Word-Dateien selbst größere Probleme bekommen kann.

Märchen: Mit Word kann man schöne Dokumente (auch mit Formeln) erstellen

Bei diesem Punkt wird der Erstellungsvorgang beiseite gestellt und nur das Ergebnis betrachtet. Sogar unter der Prämisse, dass ein Word-Profi ein Dokument erstellt, ist es für anspruchsvollere Anwendungen wie zum Beispiel Buchdruck vom Ergebnis her vollkommen ungeeignet. Das spiegelt sich auch darin wider, dass so gut wie kein Buch mit Word gesetzt wird.

Kleine Korrektur: sehr viele Bücher werden wohl mit Word geschrieben. Aber sobald der Verlag den Text bekommt, muss dieser auf ein geeignetes Format konvertiert werden. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass die Leute mit dem Fachwissen für die Bücher leider keine LaTeX-Kenntnisse aufweisen.

Sehr viele Bücher werden mit LaTeX gesetzt und recht viele Verlage akzeptieren ausschließlich LaTeX.

Word hat keinerlei Ahnung von einem schönen Seitenspiegel, wie ihn LaTeX von vornherein bietet und der mit Paketen wie dem KOMA-Script sehr gut angepaßt werden kann. LaTeX beinhaltet die Regeln der Buchsetzkunst, die sich vom Mittelalter bis in die Neuzeit durch Erfahrung gesammelt haben. So wird der optische Eindruck einer Seite (Grauwert) ebenso berücksichtigt wie satztechnische faux-pas (wie z.B. die Silbentrennung von Word und die durch den unzureichenden Umbruch resultierenden Wortabstände). Word wird diesem Standard nur sehr marginal gerecht – wenn überhaupt. Infos zum Thema Satzspiegelkonstruktion finden sich in der Dokumentation zum KOMA-Script (PDF).

Ligaturen sind Buchstaben, die zusammengeschrieben werden. Das scharfe 's' (ß) ist eine etwas mutierte Ligatur aus einem 's' und einem 'z'. Meistens fallen Ligaturen aber nicht so offensichtlich ins Auge wie zum Beispiel ein Doppel-'f' im Buchdruck. Da ist dann der horizontale Strich der beiden 'f' durchgehend (leider gibt es diese Ligatur in HTML nicht, um sie hier veranschaulichen zu können). Weiterhin gibt es Ligaturen oftmals in Fremdwörtern wie bei curriculum vitæ (lateinisch für Lebenslauf). Hierbei sind das 'a' und das 'e' verschmolzen. Ligaturen werden in Word komplett ignoriert und in LaTeX an geeigneter Stelle (bis auf sehr wenige Ausnahmen) automatisch gesetzt bzw. als Kommando erzwungen.

Word bietet mit seinem Formeleditor die Möglichkeit, mathematische Ausdrücke in ein Dokument einzubinden. Allerdings läßt das Ergebnis viel zu wünschen übrig. Beim Formelsatz in LaTeX gibt es Schriftgrößenanpassungen und sogar Schriftartenanpassungen – automatisch je nach Notwendigkeit. Word kennt da kein Erbarmen und setzt alle Buchstaben aus der gleichen Schrift (schlechte Lesbarkeit von kleinen Schriftgrößen) mit nur sehr notdürftigen Abstandsregeln. Der Vergleich macht sie sicher. Außerdem gibt es manchmal Konstrukte, die im Formeleditor von Word einfach nicht möglich sind. Uns sind bei LaTeX keine solche Grenze bekannt.

LaTeX kann mit Erweiterungspaketen sogar Notensatz erledigen. Chemische Formeln und ausgefallene Sprachen sind auch keinerlei Problem bei LaTeX. Bei Word steht der Benutzer wiederum meistens im Regen.

Schriften unter Windows sind ein heikles Thema. Ursprünglich als Notlösung erdacht (Microsoft konnte/wollte keine teuren Profischriften bei Windows/Office mitliefern), haben sich Schriften wie Arial und Times New Roman hartnäckig gehalten. LaTeX kommt mit einem sehr gut ausgestatteten Grundbausatz an Schriften, die allesamt eine sehr penible Konstruktion erfahren durften. So wurde bei den Serifen (die kleinen Schnörkel bei den Buchstabenenden) äußerster Wert auf Ästethik und Funktionalität gelegt. Die LaTeX-Schriften können sich im Gegensatz zu den Windows-Pendants sehr wohl mit sehr teuren Profi-Schriftfamilien messen.

Außerdem existieren in LaTeX bei ein und derselben Schrift mehrere Varianten, die je nach Schriftgröße eingesetzt werden. Bei den Windows-Schriften (meist TrueType-Fonts) werden in allen Schriftgrößen die selben Buchstaben verkleinert oder vergrößert. Selbst Laien erkennen da bei extremen Größen (sehr klein oder sehr groß) deutliche Defizite auf Seiten der TrueType-Schriften.

Hinweis: Natürlich bringt LaTeX auch unter Windows seine eigenen Schriften mit.

Lustigerweise ist bei Word die Formatierung des Dokumentes vom installierten Druckertreiber(!) abhängig, sodass ein und das selbe Dokument auf zwei verschiedenen Rechnern mit unterschiedlichen Druckertreibern auch unterschiedlich dargestellt wird. Das kann natürlich dazu führen, dass eine Seite dazu- oder wegkommt, je nach Umbruch. Dass LaTeX keinesfalls so eine große Designschwäche aufweist, wollten wir hier nur erwähnen.

So grundlegende Dinge wie einen korrekten Zeilenumbruch und eine korrekte Worttrennung (TeX optimiert den Zeilenumbruch auf Absatzbasis, während Word auf Zeilenbasis umbricht - dadurch ergibt sich bei LaTeX ein gleichmäßigeres Bild) oder richtige Kapitälchen, sucht man bei Word vergebens. Natürlich.

Matthias Mühlich hat auf seiner Homepage einen Praxisvergleich zwischen Word und LaTeX online gestellt.

Märchen: Word kann auch große Dokumente wie z.B. Diplomarbeiten oder Bücher erstellen

Zum Thema Qualität des Ergebnisses siehe auch "Märchen: Mit Word kann schöne Dokumente (auch mit Formeln) erstellen".

Gerade bei umfangreichen Projekten kommen die schlechten Seiten von Word zum Tragen. Die Arbeitsgeschwindigkeit nimmt radikal ab – überhaupt, wenn man viele Grafiken eingebunden hat. LaTeX läßt sich hier nicht wirklich beeindrucken und selbst mit Uralt-Hardware läßt sich bequem ein sehr großes Buch schreiben. Durch die freie Wahl des Editors bei LaTeX kann man sich einen flotten LaTeX-Editor auch auf sehr langsamen Rechnern installieren. Aber sogar recht komfortable LaTeX-Entwicklungsumgebungen wie zum Beispiel der GNU Emacs sind auf alten Systemen meist viel schneller als Word bei Gigahertz-Rechnern.

Die Übersichtlichkeit in Word ist nur durch das Benutzen von Filialdokumenten zu halten und gerade diese Funktion ist recht schlecht gelöst. Hier gibt es haufenweise Bugs, die zum Beispiel die Seitennummern durcheinander bringen, ganze Dokumentteile verschlucken, trotz Auslagerung eine schlechte Performance bringen und so weiter.

In LaTeX kann man sein Dokument auf beliebig viele (kleine) Dateien aufteilen, die jeweils übersichtlich und flott weiterverarbeitet werden. Natürlich dauert bei LaTeX das Kompilieren auf älterer Hardware auch länger, aber das behindert wenigstens nicht das flüssige Tippen.

Zahlreiche Diplomarbeiten und Dissertationen haben bei Word-Benutzern heftigst an deren Nerven gezehrt. Word hat dann so Probleme wie alle Bilder sind durch rote 'x' ersetzt und unwiederrufbar verschwunden. Alles neu einfügen – welch ein Spaß.

Wenn Word abstürzt, kann es leicht sein, dass das ganze Dokument oder Teile davon unwiederbringlich zerstört sind. Das passiert bei den meisten für LaTeX benutzten Editoren natürlich nicht und es ist ja auch schwerer möglich, da man ja nur reine ASCII-Dateien (reinen Text) bearbeiten muss.

Wir raten jedem, der mehr als eine Seite tippen muss, zu LaTeX. Besonders bei Diplomarbeiten oder ähnlichem gibt es fast nur LaTeX. Aber diese Erfahrung macht so gut wie jeder, der es trotzdem mit Word probiert – keine Sorge :-) (wenige Ausnahmen den Autoren bekannt – herzlichen Glückwunsch!)

Märchen: Word ist ausgereift und gut programmiert

Der Glaube, dass eine so mächtige, marktbeherrschende und reiche Firma wie Microsoft wohl auch gute Produkte liefert, ist anscheinend so groß, dass sehr viele Anwender ohne viel Murren mit den ärgerlichsten Bugs leben, ohne sich nach einigen Rückschlägen nach Alternativen umzusehen. Es gibt sehr viele Bugs in Word, die sich mitunter schon über viele Versionen hinziehen und die offenbar nicht so leicht auszumerzen sind. So ist zum Beispiel der Fußnotenbug eine Art running gag der letzten zwölf(!) Jahre: Fußnoten werden nicht auf der entsprechenden Seite unten angeführt sondern auf einer der folgenden.

Bei der automatischen Erstellung des Seitenindexes nimmt es Word nicht so genau mit den Seitennummern. Manchmal stimmen sie einfach nicht mit den entsprechenden Stellen im Dokument überein. Sowas ist leider lästig zu prüfen und wird daher oft übersehen.

Wenn man mit Word über ein Netzwerklaufwerk an einer Word-Datei arbeitet, kann es sein, dass nach einem Absturz das komplette Dokument so zerstückelt ist, dass Word keinerlei Inhalt mehr rekonstruieren kann. Mit den Importfiltern von OpenOffice.org konnten wir in mehreren Fällen Teile doch noch wiedergewinnen, aber generell meiden wir das Arbeiten über das Netz (LAN) mit Word.

Speziell in großen Dokumenten und bei vielen Grafiken kann es leicht vorkommen, dass aus unerfindlichen Gründen plötzlich alle Grafiken durch rote 'x' ersetzt werden. Da gibt es auch nur zwei Möglichkeiten. Entweder man hat eine Sicherungskopie oder man bindet alle Grafiken neu ein.

Soweit ein kleiner Auszug aus der vielfältigen Welt der Bugs von Word. Aus der Art, Vielfältigkeit und Hartnäckigkeit über mehrere Word-Versionen hin kann man sich selbst seine Meinung über die Qualität von Software aus dem Hause Microsoft bilden. Für weitere erheiternde Geschichten rund um Word haben wir auch noch eine Seite im Internet gefunden.

Bei TeX, dem Grundsystem von LaTeX ist sogar ein symbolischer Preis von 2 Dollar und 56 Cent für jeden gefundenen Fehler ausgeschrieben. Und seit den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts mußte Donald E. Knuth nicht einmal ein Dutzend Mal diese prestigeträchtigen Schecks aushändigen. Die Fehler, die da gemeldet wurden (z.B. falsche Beistrichsetzung in der Dokumentation), sind aber keinesfalls in der selben Liga wie die gravierenden Mängel von Word. Sowas nennt man halt gute Software-Qualität.

Fehler im Makropaket LaTeX kann man über das Internet melden. Diese erscheinen dann in der LaTeX Bugs Database, welche zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen (25.06.2004) 110 Einträge verzeichnete. Der Leser kann sich gerne selbst überzeugen, dass die meisten der aufgelisteten Fehler wirklich kaum der Rede wert sind.

Der Fairness halber sei angemerkt, dass bei LaTeX ja auch die Fehler des Editors miteingerechnet werden müßten. Allerdings kann man bei LaTeX seinen eventuell fehlerbehafteten Editor jederzeit problemlos durch einen besseren ersetzen.

Märchen: LaTeX ist schwer zu lernen

Es ist vollkommen logisch, dass ein Anfänger bei Word schneller zur ersten fertigen Seite kommt als bei LaTeX. Allerdings hat man bei LaTeX mit einen minimal größeren Einstieg gleich viel mehr Möglichkeiten und kann die Vorteile von LaTeX voll und ganz genießen.

Die größten Hürden beim Einstieg in LaTeX sind die Installation einer LaTeX-Distribution und die Erstellung geeigneter Vorlagen (Templates). Beides sollte ein erfahrener Administrator übernehmen bzw. ein kundiger Freund. Google hilft in allen anderen Fällen auch weiter.

Wir behaupten, dass für einen vernünftigen Umgang mit einer Textverarbeitung der Lernaufwand bei Word und LaTeX sogar gleich ist, da man Word auch nicht gleich intuitiv korrekt einsetzen kann. Es gibt auch zahlreiche Berichte im Web, wonach Sekretärinnen nach kurzer Zeit sehr gut ihre Korrespondenz mit LaTeX erledigen. Einer aus unserem Team hat nicht zuletzt seine Freundin (Computer-Laie) überreden können, ihre Diplomarbeit nicht mit Word, sondern mit LaTeX durchzuführen. Bei der Erstellung des Headers war er dann als versierter LaTeX-Kenner federführend, aber den Rest hat sie ganz alleine auf ihrem alten Notebook (das für ein aktuelles Microsoft Office sowieso zu schwach wäre) geschafft. Sie hat sogar gemeint, dass sie mittlerweile viel lieber mit LaTeX als mit Word arbeitet, da es angenehmer und weniger fehleranfälliger ist.

Aus unserer Sicht ist die Lernkurve bei Produkten wie Word anfangs steil nach oben gerichtet. Danach flacht sie aber schnell ab und nähert sich einem Maximalwert, der nur durch externe Erweiterungsprodukte (meistens noch mal kostenpflichtig) erhöht werden kann. Bei Produkten wie LaTeX (oder z.B. Linux allgemein, ...) ist die Lernkurve anfangs eher flach und steigt dann stetig, aber nach oben unbegrenzt. Bei Word/Windows wird das Können durch das Vorhandensein von fertigen Lösungen bestimmt (ein Kästchen, das die gewünschte Funktionalität mehr oder weniger liefert). Bei Lösungen wie LaTeX oder Linux wird das Können ausschliesslich durch das vorhandene Wissen begrenzt. Es ist vermutlich klar, was hier besser erweiterbar ist.

Das Problem ist nur das Überwinden des ersten Teiles der Lernkurve, wo man merkt, dass man mit Word zumindest schon ein paar Seiten hätte schreiben können, während man bei LaTeX noch in der Einführungsdokumentation steckt. Wir hoffen, dass wir an dieser Stelle nicht mehr ausführlich erklären müssen, dass die Belohnung den Aufwand rechtfertigt.

Unbedarfte Anwender neigen dazu, an dieser Stelle einzuwenden, dass der Anwender eben nicht soviel wissen will oder sollte. Hier scheiden sich offenbar die Geister, da wir der Meinung sind, dass ein wenig mehr Hintergrundwissen (z.B. wozu braucht man die Tilde bei "OS~X") allen Anwendern ihre tägliche Arbeit ungemein erleichtert. Wenn sich jemand die kurze Zeit nimmt, und sich über die Fähigkeiten seines Editors einmal genauer informiert, kann er sich für alle Ewigkeit viele kleine Dinge enorm verbessern. Bei von vornherein lernunwilligen Anwendern erübrigt sich sowieso jegliche Diskussion.

Sofern ein neuer LaTeX-Benutzer geeignete Vorlagen verwenden kann, beschränken sich die wichtigsten Dinge zum Lernen vorerst sowieso auf \section{}, \subsection{} und \emph{}. Mit \label{}, \ref{} und \tableofcontents sind die meisten Neulinge sowieso schon ausreichend fasziniert von LaTeX, dass die Motivation kein Problem mehr darstellt.

Märchen: LaTeX lässt mich nicht das machen, was ich will

Word-Benutzer sind gewohnt, alles auf dem Blatt absolut kontrollieren zu wollen bzw. müssen. Schnell ist mit der Maus der linke Seitenrand nach links verschoben, um dem Text mehr Platz zu lassen. Oft gelingt es dem geplagten Anwender auch, Word beizubringen, dass das eine Bild genau dort zu liegen kommen soll. Wenn so ein Benutzer plötzlich mit LaTeX konfrontiert wird, so will er dieses Verhalten 1:1 auch hier übernehmen. Das ist dann meistens eine herbe Enttäuschung, da man sich in LaTeX besser von absoluter Positionierung verabschieden sollte.

LaTeX ist nun mal kein DTP-Tool (Desk-Top Publishing) wie zum Beispiel Ventura Publisher, Quark X-Press oder (eingeschränkt) CorelDraw. Word unterliegt diesen DTP-Programmen in dieser Hinsicht und verliert hier seine Berechtigung. LaTeX geht hier aber einen vollkommen anderen Ansatz. LaTeX beinhaltet sehr viel Know-How aus dem Bereich der Buchdruckkunst, das kein durchschnittlicher Anwender vorweisen kann. (Siehe dazu auch "Märchen: Mit Word kann schöne Dokumente (auch mit Formeln) erstellen.")

Man tut also gut daran, LaTeX die Entscheidung zu überlassen, wo beispielsweise ein Bild positioniert werden sollte. Es beherrscht auch das Erstellen eines optisch ausgewogenen Satzspiegels und weitere Feinheiten. Dadurch kann sich der Benutzer besser auf den Inhalt seines Dokumentes konzentrieren und muss nicht zwischendurch Layouter spielen, was er vermutlich sowieso nicht so gut kann wie LaTeX.

Es ist also gar nicht so toll, wenn jeder Anwender bei den Seitenrändern so einfach herumschraubt. Wenn man das Ergebnis von LaTeX einmal gewohnt ist, wird man einsehen, dass das auch gut ist. Ein jeder gelernter Setzer wird diesen Punkt sofort unterschreiben. Der Vater von einem Team-Mitglied von uns tut es jedenfalls als solcher.

Märchen: LaTeX fehlen so Sachen wie Rechtschreibkontrolle

Ja. Na und?

Im Gegensatz zu Microsoft, vertreten wir (und sehr viele andere auch) die Meinung, dass Dinge wie Rechtschreibkontrolle, Formatierhilfen, Syntax-Hervorhebung, Eingabehilfen und Makros eindeutig Aufgabenbereiche eines Editors sind. Die klare Aufgabentrennung erweist sich durchaus als guter Ansatz. Nur so hat man nämlich auf einem Rechner genau eine Rechtschreibkontrolle und nicht im Textverarbeitungstool (z.B. Word), im HTML-Entwicklungstool (z.B. HomeSite), im DTP-Tool (z.B. CorelDraw) und so weiter jeweils eine eigene (unterschiedliche) Version mit höchstwahrscheinlich sogar unterschiedlichen Features.

Mit der Mehrfach-Implementierung gehen einher: Platzverschwendung, eine inhärent-inkonsequent verschiedene Bedienung und ein Zusatzaufwand, bei allen Rechtschreibkontrollen die persönlichen Wörterbücher aktuell zu halten.

Selbst Computer-Laien erkennen hier einen falschen Ansatz, der sich trotzdem speziell auf Windows-Systemen hartnäckig hält. Es geht aber auch anders, wie es Systeme wie zum Beispiel Linux zeigen. Da hat man eben einen Lieblingseditor, mit dem man sich gut auskennt. Dieser Editor greift auf die systemweit einzige Rechtschreibkontrolle (z.B. Ispell) zu, wie alle anderen Tools, die eine solche Korrekturhilfe benötigen, auch. Und das Thema Rechtscheibkorrektur ist nur ein Beispiel von vielen.

OpenSource und LaTeX

LaTeX ist wie viele andere Produkte ein Open-Source Programm. Das bedeutet nicht, dass man damit kein Geld verdienen darf. Open-Source hat den Vorteil, dass interessierte Leute sich den Quellcode des Produkts ansehen können um Fehler zu finden/korrigieren oder um sicherzustellen, dass das Produkte keine unerwünschten Dinge enthält. Anpassungen an eigene Bedürfnisse sind ebenso möglich.

Viele Firmen (auch sehr große wie IBM oder Novell) setzen auf freie Software und bieten auch Support-Verträge an. Es gibt also keinen wirklichen Nachteil, wenn man selbst in Firmen auf freie Software setzt. Tatsächlich sind schon sehr viele Firmen und Organisationen auf den Linux-Zug aufgesprungen und verwenden sogar Produkte wie LaTeX.