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Bookdump 02/2021

Foto vom Buchregal

Bücher, die ich in 2021 seit meinem letzten Bookdump gelesen habe:

  • Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer, Karl-Markus Gauß. Auf den 221 Seiten begleitet man den Autor bei Geschichten, die es zu den unterschiedlichsten Gegenständen in seiner Wohnung in Salzburg zu erzählen gibt, blickt mit ihm auf die Geschichte seiner Familie wie auch seine Büchersammlung, und bekommt nebenbei geschichtliches Wissen vermittelt. Ein wunderbarer Ausflug.
  • Der Ursprung der Liebe, Liv Strömquist. Wieder eine Leihgabe eines Nachbars (danke C.!). Nach “Der Ursprung der Welt” und “Ich fühl’s nicht” das mittlerweile dritte Buch, das ich von Strömquist gelesen habe. Auch diese 135 Seiten schlanke Graphic Novel war wieder anregend und habe ich gerne gelesen.
  • Die neue (Ab)Normalität, Robert Misik. Ein lesenswerter Essay, der auf 154 Seiten zum Nachdenken einlädt.
  • Alles muss man selber machen, Daniela Strigl. 150 Seiten. Ein interessanter Ausflug in die Literaturszene und Literaturkritik. Und ich weiß jetzt auch, wem wir es zu verdanken haben, dass wir dieses unsägliche “Zurückbleiben, bitte!” bei den Wiener Linien wieder losgeworden sind.
  • Hauskonzert, Igor Levit und Florian Zinnecker. 300 Seiten. Der Titel “Hauskonzert” bezieht sich auf die auf Twitter gestreamten Konzerte von Levit in der Corona-Lockdown-Zeit 2020, und der Schreibstil hat streckenweise auch etwas twitterhaftes. Ein schönes Buch, in dem man mehr über Igor Levit und seinen Werdegang erfährt, und ganz nebenbei noch mehr Lust aufs Hören der erwähnten Werke bekommt (die 32 Beethoven Sonaten, Goldberg- und Diabelli-Variationen, “The People United will never be defeated”, Werke von Thelonious Monk, …). Nur schade, dass die erwähnten Werke und Personen in keinem Index/Register zu finden sind.
  • Hell yeah or no, Derek Sivers. 126 Seiten an Gedanken rund um was es wert ist zu machen, schlechtes loszuwerden und “making things happen”. Der Stil ist für eine Art “Lebensoptimierungs”-Buch vergleichsweise sehr angenehm, und ich habe es als eine wesentlich bessere Version von “Die 4-Stunden Woche” von Timothy Ferriss (siehe mein Review dazu) wahrgenommen. Anregend.
  • Jahr null, Frenk Meeuwsen. Wieder eine Leihgabe eines Nachbars (danke C.!). 237 Seiten in Comic-Formc über seine Entscheidung für das Elternwerden und Vatersein. War mir persönlich zu wenig tiefgehend und zu grafiklastig, die Bücher von Liv Strömquist fand ich diesbezüglich inspirierender und in einer ganz anderen Liga.
  • Das Mädchen mit dem Fingerhut, Michael Köhlmeier. Eine wunderbare Parabel auf die Flüchtlingssituation, in schlanken 140 Seiten .
  • Hamster im hinteren Stromgebiet, Joachim Meyerhoff. 307 Seiten unterhaltsame Literatur. Meyerhoff enttäuscht auch diesmal nicht, ich musste beim Lesen mehrfach laut auflachen, wunderbar.
  • Eurotrash, Christian Kracht. In diesen 210 Seiten macht der Ich-Erzähler mit seiner alkohol- und tablettenabhängigen Mutter einen Ausflug durch die Schweiz. Eine Autofiktion rund um eine Familiengeschichte und Kritik an Schweiz und Deutschland in wunderbarer Sprache. Das Buch ist eine Fortsetzung von Krachts “Faserland”, und ich kann beide Bücher guten Gewissens empfehlen.
  • Daheim, Judith Hermann. Meine Erwartungshaltung an die 189 Seiten waren hoch, da das Buch für die Leipziger Buchmesse 2021 nominiert und in allen Literatursendungen und Rezensionen des Feuilletons hochgelobt wurde. Der Anfang war vielversprechend, sprachlich finden sich immer wieder wunderbare Strecken und das Thema ist gut. Irgendwo rund um die Hälfte hat sich meine Lust auf das Buch leider gedreht, und das Lesen wurde mir mehr Arbeit als Spaß. Vielleicht war ich auch einfach in der falschen Stimmung, aber die leicht inflationäre Verwendung von “ab und an” gegen Ende hin war dann leider nur mehr der i-Punkt für meinen schlussendlich leider doch nicht besonders tollen Gesamteindruck. Hmpf, wirklich schade.
  • Lachen und Sterben, Franz Schuh. Eine wunderbare Sammlung von philosophischen Essays und diversen Anekdoten rund um Österreich, Medien-und Kulturkritik auf 331 Seiten. Anregend.
  • Die Mitternachtsbibliothek, Matt Haig. Nora möchte ihrem Leben ein Ende setzen, landet dabei aber in einer Bibliothek und darf verschiedene Lebenswege, gekoppelt an Entscheidungen in ihrem Leben, neu erleben. Sprachlich OK umgesetzt (stellenweise doch ein wenig rumpelig), aber die wunderbare Idee entschädigt dafür. 318 Seiten mit Gedanken rund um Lebenswillen, Entscheidungen und Blickwinkel.
  • Macbeth Melania, Katharina Tiwald. 143 Seiten einer Mischung aus politischem Roman und Theaterstück, das im Jahr 2017 spielt. Mit diesem zeitlichen Abstand liest es sich ein wenig komisch im Jahr 2021, wenn wir Christian Kern, Reinhold Mitterlehner und Trump eigentlich schon hinter uns gelassen haben. Kurzweilige Lektüre, aber wir wurden von der Wirklichkeit irgendwie schon eingeholt.
  • Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit, Mai Thi Nguyen-Kim. Die 365 Seiten lesen sich leicht und flüssig, die Schreibart ließ bei mir gedanklich auch immer wieder den doch recht einmaligen Stil ihrer mailLab YouTube-Videos auftauchen. Der flappsige Stil zielt aber vermutlich eher auf ein junges Publikum ab, daher bietet sich das Buch leider nicht wirklich als Geschenk für so manch ältere Person in meinem Bekanntenkreis an. Das Buch teilt sich inhaltlich in 9 Kapitel auf, anhand derer verschiedene Fragestellungen rund um Wissenschaft behandelt werden: 1) Legalisierung von Drogen, 2) Videospiele und Gewalt, 3) Gender Pay Gap, 4) Big Pharma vs. alternative Medizin, 5) Wie sicher sind Impfungen, 6) Erblichkeit von Intelligenz, 7) Warum denken Frauen und Männer unterschiedlich?, 8) Sind Tierversuche ethisch vertretbar und 9) Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit.
    Manche dieser Kapitel nehmen auch direkten Bezug auf die Zeit rund um Corona. Ein wenig schade fand ich dabei, dass Mai nicht auf das häufig missverstandene (Nicht-)Problem von “Langzeit-Folgen” bei Impfungen eingeht (siehe z.B. Martin Moders YouTube-Video bzw. Taschwer im Standard), was zumindest für mich eine der Lektionen aus 2020/2021 war. Schade, dass auch bei diesem Buch wieder ein Index fehlt. Insgesamt hätte das Buch für mich gerne noch ausführlicher und tiefergehend, dafür aber auch kompakter und dichter sein dürfen. Fairerweise liest sich das Buch allerdings so dermaßen flüssig und leicht, dass es eigentlich keine Einstiegshürde oder Gefahr des “beim ersten Kapitel steckenbleiben” gibt. Sehr gelungen – und wünsch ich mir in Zukunft für alle Sachbücher – finde ich die in roter Farbe hervorgehobenen Begriffe, die besonders als Gedankenstütze beim Nachschlagen hilfreich sind. Exemplarisch möchte ich einige dieser rot gedruckten Wörter hier anführen – das vermittelt vielleicht auch gleich noch besser, was man sich inhaltlich von dem Buch erwarten darf:
    MCDA-Prinzip, Verhältnisskala, Prohibition, Reproduzierbarkeit, Researcher Degrees of Freedom, Competitive Reaction Time Task (CRTT), Buss-Perry-Aggressionsfragebogen, Korrelationen, Kausalität, Sozialistationseffekt, Selektionseffekt, Longitudinalstudien/Kohortenstudien, Prädikator, statistische Signifikanz, p-Wert, Publication Bias, p-Hacking, HARKing (Hypothesis After Results Known), Präregistrierung, Effektgröße d, Meta-Analysen, Katharsisthese, Care-Arbeit, Belmont Report, Nürnberger Kodex, Deklaration von Helsinki, Indikation, Publikationsdruck, post hoc ergo propter hoc (danach, also deswegen), cum hoc ergo propter hoc (damit, also deswegen), Placeboeffekt, Noceboeffekt (Nebenwirkungen), klassische Konditionierung, Open Label Placebos, Extinktion, Prevention Paradox, Autoimmunerkrankung, Molekulare Mimikry, Korrelationskoeffizient, Eugenik, Gaußverteilung, Retest-Reliabilität, g-Faktor (general factor), polygen, Flynn-Effekt, Phänotyp (= Genotyp + Umwelt), Effektgröße, Varianz, individualistischer Fehlschluss, Falconer Formel, Methylierung, Big-Five-Persönlichkeitstest, Reverse Bias, Phrenologie, Confirmation Bias, Physiognomik, Dimorphismus, Naturalistische Fehlschluss (Natural Fallacy), Trolley-Problem, translationale Forschung, Draize-Augenreizungstest, Organoiden, Checkpoint-Inhibitoren, 3R-Prinzip (Replace, Reduce, Refine), Cancel-Culture.
  • Der dunkle Spiegel, Barton Gellman. Gellman war Journalist bei der Washington Post und schreibt in diesem sehr gut recherchierten Buch über die Enthüllungen durch Snowden und den Überwachungsstaat. Eine lesenswerte Ergänzung zu “Permanent Record” von Snowden, einerseits weil es einige – mir bisher nicht bekannte – Korrekturen gibt (u.a. zu Greenwald), aber auch die Geschichte von Snowden aus einer weiteren, aber auch größeren Perspektive beleuchtet wird. Sehr beeindruckend, wie es Gellman auf 501 Seiten gelingt, aus einer Vielzahl an Unterlagen, Quellen und Gesprächen eine stringente Erzählung zu konstruieren und aufrecht zu erhalten. Es gibt unglaubliche 78 Seiten Anmerkungen (und leider kapitelweise durchnumeriert, daher mühsam zum Hin- und Herblättern). Sehr fein auch, dass es ein Personen- und Sachregister gibt.

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